Creglinger Workout-Fachsimpeln in den Feierabend im Schloßcafé Bad Mergentheim

"Corona - psychische Herausforderungen für Kinder und Jugendliche"

Erneut fand Anfang Dezember der Creglinger Workout – Fachsimpeln in den Feierabend im Schlosscafè Bad Mergentheim statt. Dieses Mal hatte das Main-Tauber-Institut der Jugendhilfe Creglingen den Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Diakonie-Klinik Mosbach Dr. med. Karsten Rudolf zum Thema „Corona – psychische Herausforderungen für Kinder und Jugendliche“ eingeladen. Seit Jahrzehnten gibt es eine enge Kooperation mit Dr. med. Rudolf und der Jugendhilfe Creglingen. Er und sein Team unterstützen in Einzelfällen, er gibt Supervision und er war an der Entwicklung von Konzepten für Angebote der Einrichtung beteiligt.

Dr. Rudolf zeigte sich nach der Begrüßung durch den Geschäftsführer der Jugendhilfe Creglingen Werner Fritz und Gabriele Bachem-Böse, Leiterin des Main-Tauber-Instituts, begeistert über das Konzept zum fachlichen Austausch in der gemütlichen Atmosphäre des Schloßcafes. In seinem Impulsvortrag gab er einen Überblick über die Corona-Pandemie im Hinblick auf die Situation und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und die daraus entstandenen Folgen.

Die damaligen Maßnahmen wie Schul- und Kitaschließungen sowie Kontaktverbote waren nach dem Wissenstand während der Pandemie gerechtfertigt, wusste man zunächst wenig über das Virus. Zudem gab es zu Beginn keine Tests und Impfungen. Die Maßnahmen erfolgten aus medizinischer Sicht, die psychosozialen Komponenten wurden leider vernachlässigt. Über die Hälfte der psychischen Störungen beginnen in der Zeit der Adoleszenz (Zeitraum zwischen später Kindheit über Pubertät bis zum Erwachsensein). Erleben die jungen Menschen Stressoren wie z. B. Schuldruck, eine nicht förderliche Erziehung oder Traumata wird das Ganze verstärkt und ein abweichendes psychisches Verhalten droht. Zu diesen psychosozialen Risikofaktoren kam plötzlich eine Pandemdie als Polykrise dazu.

Im Nachblick weiß man, dass die Schul- und Kitaschließungen für die Kinder und Jugendliche gravierende Folgen hatten, die Spätfolgen sind noch gar nicht absehbar. Je nach Entwicklungsstufe brauchen junge Menschen Kontakte nach draußen, zum Beispiel zu Lehrer:innen, Erzieher:innen und Freund:innen. Durch die Kontaktsperren war dies kaum möglich, es kam zu Entwicklungsstopps.

Vor Corona waren 18 Prozent der Kinder und Jugendliche psychisch erkrankt. Während der Coronapandemie stieg die Zahl auf 30 Prozent und hält sich heute mit 27 Prozent auf einem hohen Niveau. Es werden noch viele Fälle aus der Zeit mit Verzögerung erwartet. Besonders Depressionen, Angsterkrankungen und Essstörungen nahmen gewaltig zu. Es sei beobachtbar so Rudolf, dass auch Kinder ohne psychische Erkrankung eine grundlegende Verunsicherung haben. Viele sind sozial unsicher geworden, es wird übermäßig gegessen, man bewegt sich weniger und der Medienkonsum ist stark gestiegen.

Durch die Einschränkungen der Pandemie waren die psychiatrischen Tageskliniken und Ambulanzen geschlossen, was für die betroffenen Kinder und ihre Familien sehr belastend war. Jetzt ist die Nachfrage nach kinderpsychiatrischen Hilfen und Psychotherapie stark angestiegen, aber der Bedarf ist kaum zu decken, da auch hier der Fachkräftemangel deutlich wird. Kreative Lösungen sind gefragt. Dr. Rudolf und sein Team versuchen, mit schnellen Einbestellungen, kurzen häufigen Kontakten entgegenzuwirken und lange Wartezeiten zu verhindern. Ebenso haben sich die digitalen Angebote, die in der Pandemiezeit entwickelt wurden, bewährt. Allerdings muss an vielen Stellen neu gedacht werden, um allen Hilfesuchenden gerecht zu werden. Denkbar sind niederschwellige Angebote, Quartiersmanagement oder sogenannte „Kioskangebote“.

Die Coronapandemie war laut Rudolf „Brennglas auf die Systeme“. Es wäre zu wünschen, dass man als Gesellschaft gelernt hat und für kommende Krisen besser gewappnet ist. Nach dem eindrucksvollen fesselnden Vortrag von Dr. med. Rudolf konnten die Besucher:innen des Creglinger Workoutes ihre Fragen stellen und man tauschte sich noch in lockerer Runde bei winterlichen Köstlichkeiten aus.